Buchtipp: Michael Findlay, Vom Wert der Kunst

Der Kunstmarkt ist für so manch einen Laien ein Buch mit sieben Siegeln: Warum wird für manche Kunstwerke so unfassbar hohe Summen ausgegeben? Und für andere ganz wenig? Wie entsteht der Wert von einem Kunstwerk oder eben nicht? Seit 40 Jahren kennt Michael Findlay als Auktionsexperte, Galerist, Sammler und Kunstliebhaber die vielen verschiedenen Facetten des Kunstmarkts.

Drei Musen, Thalia, für den kommerziellen Wert, Euphrosyne, für den gesellschaftliche Wert und Aglaia, für den  eigentliche Wert, haben ihm bei der gestellten Aufgabe geholfen.

Thalia, der kommerzielle Wert

 Nicht ohne Grund nimmt Thalia den grösstenRaum im Buch ein. Der Leser wird zuerst in die Grundlagen eingeführt. Neben dem Primärmarkt, dem Verhältnis vom Künstler zum Käufer, ein Markt bei dem Material und Grösse eine Kunstwerks durchaus noch relevant sind, gibt es den Sekundärmarkt: Neben Händlern und Auktionshäusern bestimmen aber noch Zustand, Provenienz oder Nachfrage den Preis eines Werkes. Nicht, dass selbst der weniger kunstaffine Laie nicht schon einmal davon gehört hätte. Aber bereits nach einigen Abschnitten wird deutlich, dass der Wert eines Kunstwerkes nicht immer so einfach zu bemessen ist: Bekannte Künstler schaffen nicht nur Haupt- sondern auch “Nebenwerke”, die in der Bewertung sehr unterschiedlich ausfallen können. Der Name allein macht noch kein teures Kunstwerk.1) Der erfolgreiche Verkauf von einem Kunstwerk an einer Auktion kann von einem verpassten Flug oder anderen Widrigkeiten abhängen.  Bilder einer gleichen Werkgruppe, Entstehungszeit und mit einer vergleichbaren Provenienz, müssen nicht unbedingt den gleichen Preis erzielen, auch wenn sie in kurzen Zeitabstäbständen voneinander verkauft werden. Das Investement in mehr oder weniger erfolgreiche Kunstfonds bieten keine Allheilmittel. Spätestens nach dem ersten Kapitel wird dem Leser bewusst, dass der “Der Erwerb von Kunst eine Kunst und kein Geschäft” ist. Erfolgreich sind die, die sich mit Kunst im Original befassen, den Markt nicht nur beobachten, sondern auch daran Teil haben und vor allem sich eine eigene Meinung bilden.

Euphrosyne, der gesellschaftliche Wert

Das Sammeln von Kunst macht Freude, aber kann auch mit einem hohen sozialen Prestige verbunden sein, besonders dann, wenn man seine Sammlung der Öffentlichkeit präsentiert. Der angenehme Nebeneffekt ist ihre steuerliche Absetzbarkeit. Einen besonderen Stellenwert hat der Besuch des Sammlers im Atelier des Künstlers. Das kann bei unerfahrenen Sammlern und Künstlern eine beiderseitige Nervosität hervorufen (“Soll ich mir die Haare kämmen?”/”Wie lange darf/soll ich bleiben?”) oder aber auch geschickte Selbstvermarktung sein. Wie zum Beispiel beim Bildhauer Henry Moore, der seine potentielle Kunden immer wieder in sein Atelier und Haus einlud, ihnen Selbstgezogenes aus dem Garten reichte, um ihnen dann “zu erlauben, eines seiner Lieblingsstücke zu kaufen”.  Wenngleich der Wert eines Kunstwerkes, oder die Geschichte seines Erwerbs häufig wichtiger wird wie die Arbeit selbst: Man muss nicht vermögend sein, um zu sammeln wie das Ehepaar Herb und Dorothy Vogel eindrücklich bewiesen hat.

Agalia, der eigentliche Wert

Die Hemmschwelle ist oft gross. “Ich verstehe nichts von Kunst” gehört zu den Sätzen, die häufig zu hören sind. Im Grunde kann man Kunst geniessen, genauso wie man Musik hört ohne etwas über das Werk gelesen zu haben oder etwas darüber zu wissen. Bestimmte Kunstwerke können Emotionen in einem auslösen, unabhängig von ihrem kulturellem Kontext. Wie in den vorangegangen Kapiteln bereits dargestellt wurde: Kunst um der Kunst willen wird selten gekauft, da meist die verschiedenen Ebenen miteinander verbunden sind. Aber auch das kommt vor, wie zum Beispiel der Sammler Viktor Ganz, der anlässlich einer Ausstellung der Werke Picassos, er kannte den Künstler kaum, in der Rosenberg Gallery sich spontan in den “Traum” (Le rêve) Picassos von 1932 verliebte und diesen dann für 7000 USD erwarb. Nach dem Tod seiner Frau 1997 wurde das Gemälde für 48,4 Millionen Dollar verkauft. Nebenbei bemerkt, brachte das Werk 2013 bei einer Auktion bei Sothebys 155 Millionen Dollar. Womit wir wieder beim Wert wären. Aber die Geschichte hat mit einer reinen Liebe angefangen.

Marley Geist:

Alles ist im Wandel, auch der Umgang mit Kunst. Das beginnt mit der Sprache. Während diese bis in die 70er Jahre eher blumig war, werden jetzt zunehmend Begriffe aus der Werbung oder der Finanzwelt verwendet. Man spricht nurmehr von “ergattern” oder “investieren”. Ausserdem: Nicht immer ist das was teuer ist, automatisch auch gut. Was häufig zählt, sind jedoch die hohen Preise, die die Auktionen erzielen und unkritisch von den Zeitungen übernommen werden. Kunst wird zunhemend zur Ware und verliert ihre Einzigartigkeit. Die Moden ändern sich. Globalisierung findet statt. In dem sich schnell wandelnden Kunstmarkt kann der Blick in die Glaskugel anno 2020 und danach nur Spekulation sein.

Form und Inhalt

Das Buch liefert umfassend und detailliert viele Antworten zum Wert der Kunst. Die fast lexikale Unterteilung in einzelne Definitionen innerhalb der Kapitel umfasst einen Grossteil der Fragestellungen , die man als “Insider” im Laufbahn zu hören bekommt. Der Inhalt des Buches ist nicht in einer Bibliothek recherchiert worden sondern im Leben. Gespickt mit persönlichen Anekdoten zu Künstlern, Sammlern, die er zum Grossteil kannte oder noch kennt, ist das Buch abwechslungsreich und unterhaltsam zu lesen. Man erfährt aber auch so Manches zu Auktionsstrategien, Preisentwicklungen und deren Gründe. Die Sprache ist klar und wohltuend unreisserisch. Er will keine “Machenschaften” aufedecken, enthüllen oder kriminalisieren (damit unterscheidet er sich von so manchem Journalisten),  sondern unterhalten und informieren, wobei er durchaus zu den einzelnen Themen eine Meinung hat.

Allgemeingültige Antworten und Rezepte, etwa wie man Kunst bewertet, oder wie man “richtig” kauft liefert das Buch nicht, kann es auch nicht. Nach diesen knapp 200 Seiten wird man kein Kunstmarktprofi.   Aber es gibt dem Amateur, an den sich das Buch richtet, eine Idee wie der an sich komplexe Kunstmarkt in etwa funktioniert. Dennoch: eine Anleitung durchzieht das gesamte Buch: Wer als Connaisseur , sei es als Sammler oder Profi reussieren will, braucht vor allem eines: Liebe zur Kunst, Aufmerksamkeit, Geduld und Zeit. Das Wissen kommt von ganz allein.

1) (Anm.)Auch wenn das manche Besitzer gerne hätten.

 

Michael Findlay

Vom Wert der Kunst: Ein Insider erzählt

Prestel Verlag, München, London, New York 2012

 

English Version:

Michael Findlay

The Value of Art: Money, Power, Beauty

Random House, 2012.

 

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