Ein Leben um zu sammeln: Herb und Dorothy Vogel

Herb war Postbeamter in New York, mit einem Einkommen von 23000 USD pro Jahr. Seine Frau Dorothy war Bibliothekarin. Das Paar verband 50 Jahre Sammeltätigkeit. Zusammen besassen sie eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der USA. Als sie 1962 heirateten, hatten sie nicht das Ziel eine Sammlung zu gründen, sondern einfach Werke zu kaufen, mit denen Sie leben wollten.

Aber wie ging das mit diesem Gehalt?

Da Pop Art und der Abstrakte Expressionismus bereits für sie zu teuer waren, konzentrierten sie sich auf Minimal Art und Conceptual Art. Die Vogels beschlossen, dass sie Dorothys Gehalt für ihren Lebensunterhalt verwendeten und von Herbs Gehalt Kunst kauften. Sie besuchten jede  Woche dutzende Studios und Gallerien. Herb war derjenige, der die Werke aufspürte und Dorothy verwaltete das Budget für die Ankäufe. Sie kauften nicht wahllos, sondern die Werke mussten ihren Kriterien entsprechen:

  • Sie kauften nur, was sie mochten.
  • Das Werk musste per Taxi oder U-Bahn transportierbar sein
  •  Sie mussten sich das Werk leisten können.
  • Es musste in die Wohnung passen.
  • Die Reputation des Künstlers war ihnen dabei nicht so wichtig.

Da das Budget begrenzt war, konnten sie sich so Manches nicht leisten. Aber sie fanden fast immer einen Weg, es doch zu erwerben. Sie verhandelten mit den, meist hungrigen Künstlern,  um einen besseren Preis zu bekommen.  Sie zahlten in Raten, nahmen keinen Urlaub, gingen nicht aus oder bekamen fürs Katzenhüten eine kostenloses Werk  wie vom Ehepaar Christo eine Collage.

Die Künstler mochten die beiden bescheidenen Sammler. Sie schätzten ihr Auge für Kunstwerke, ihre Begeisterung und ihre Kenntnisse, die sie sich mit der Zeit erwarben. So manchen Künstler, der an sich zweifelte, haben sie ermutigt weiterzumachen und unterstützten so seinen zukunftigen Erfolg. Über die Jahre wurden sie immer bekannter.

Die Werke waren überall…ausser im Ofen…

Bald sah die 450 Quadratfuss (rund 42 m2) grosse New Yorker Wohnung eher aus wie ein Lager als eine Wohnung, in der sie mit ihren 20 Schildkröten, 8 Katzen und einem Becken mit Zierfischen lebten. An den Wänden war kaum ein Platz mehr frei. Viele Werke waren katzensicher in Kartons, Decken oder hinter Vorhängen untergebracht. Unter dem Bett  befanden sich Werke von Roy LichtensteinRichard Tuttle oder Fotografien von Cindy Sherman unter anderen.

Die Suche nach einem neuen zu Hause

1980 mussten sie einsehen, dass ihre Sammlung ihre räumliche Kapazitäten überstieg. Beide wussten, dass sie mit dem Verkauf von nur einigen Werken Millionen verdient hätten und ein sorgenfreies Leben führen könnten. Aber ein Verkauf von ihren Werken kam für sie nicht Frage. Die beiden Sammler nahmen Kontakt zu verschiedenen Museumskuratoren auf und spendeten 1990 schliesslich ihre Kollektion von 2400 Werken  der National Gallery, unter der Bedingung, dass die Werke nie verkauft werden würden. Der Kurator, Jack Cowart überwies den Beiden alljährlich eine Apanage für die grosszügige Schenkung, da die beiden ausser ihrer Rente keine finanziellen Rücklagen hatten.

Die Vogel nutzten diese Apanage, um weiter zu sammeln. Nachdem die National Gallery keine weiteren Werke beherbergen konnte, entwickelte sich 2008 das Projekt “Dorothy and Herbert Vogel Collection: Fifty works for Fifty States”, mit dem Ziel ihre Kunst in Institutionen zu bringen, die sich diese Werke normalerweise nicht leisten konnten.  Natürlich sollte diese von möglichst viele Menschen gesehen werden. Das Projekt wurde im gleichen Jahr verfilmt. Insgesamt umfasste die Sammlung 4782 Werke…

Der Sinn und Wert der Sammlung…

Über dieses liebenswürdige, etwas schrullige Sammlerpaar wurde viel berichtet. Eine Schenkung in diesem Ausmass hinterfragt man nicht. Sorina Higgins war eine der Wenigen, die in einem Artikel im “Curator”anlässlich eines Besuches im New Orleans Museum, das 1/50 der Vogel Sammlung beherbergt, kritischere Töne  anklingen liess. Sie stellte sich die Frage, ob sich die dort befindlichen Skizzen, Bilder oder kleinen Werkstücken noch einen ästhetischen, künstlerischen oder monetären Wert besitzen und ob das überhaupt noch Kunst ist. Bei der Ansicht der Fotos im Artikel kann ich ihre Überlegungen durchaus nachvollziehen.

Aber hat nicht jede grössere Sammlung, sei sie aus adeliger oder sonst berühmter Provenienz, neben der Qualität auch (oft ziemlich viel) Quantität? Muss es immer um Millionenbeträge und grosse Sensationen gehen? Die beiden hätten ein Lehrbuch zum Thema “Wie investiere ich richtig in Kunst” schreiben können, es wäre wohl Kassenschlager geworden. Denn unwissentlich haben sie vieles richtig gemacht:

  • Ihr knappes Budget hinderte sie dem (teuren)Trend nachzulaufen, und so mussten sie sich eine bezahlbare Nische suchen.
  • Sie haben mit dem Herzen gekauft
  • Sie haben sich mit den Ojekten und den Künstlern beschäftigt
  • Sie haben sich auf einige wenige Themen konzentriert
  • Sie haben sich permanent weitergebildet.

Ein bisschen Glück gehört auch dazu: Sie haben von noch relativ unbekannten Künstlern gekauft, deren Preise sich für ihre Werke sehr gut entwickelt hatten. Zumindest trifft das auf viele ihrer erworbenen Objekte zu.

Sie waren grosse Mäzenen im Kleinen. Sorina Higgins bringt es in ihrem oben zitierten Artikel auf den Punkt:

“Many (works) reflect the personal relationships between the Vogels and their artists—which are as important as financial support”. 

Es ist genau diese Beziehung, die diese Objekte wertvoll macht.

Die wohl wichtigste Botschaft jedoch vermittelt das Ende des beigefügten Videos:

“You don’t have to be a Rockefeller to collect art”

Die Beiden haben bewiesen, dass man auch mit einem kleinen Budget viel erreichen kann.

 

Quellen und mehr zum Thema:

Mentalfloss.com: “How Working Class Couple ammassed priceless art collection”

http://vogel5050.org/

Wikipedia: Herbert and Dorothy Vogel

Curatormagzine.com, Sorina Higgins, On the validity of the Vogel Collection

 

 

 

 

 

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