„Wir brauchen einen umfassenden Ansatz und keine Stigmatisierung“  

Foto: Dr. Hannes Hartung Themis

Foto: (c) Dr. Hannes Hartung, Themis

Interview mit RA Dr. Hannes Hartung

Dr. Hannes Hartung hat sich  das Kunstrecht auf seine Fahnen geheftet. Er ist der Gründer der Kanzleikooperation Themis und wird sich im kommenden Jahr der deutschen Großkanzlei Buse Heberer Fromm als Partner anschließen. Man kennt ihn als ehemaligen Anwalt von Cornelius Gurlitt.

  • Herr Dr. Hartung, wollten Sie schon immer Jurist werden?

Nein, ich wollte zuerst klassische Archäologie studieren. Man hat mir allerdings mit den Worten:  „Studiere lieber was g’scheits“ davon abgeraten. So kam ich zur Juristerei. Für diesen Rat bin ich heute sehr dankbar. Immerhin,  die Archäologie führte mich zu meinem Spezialgebiet, dem Kunstrecht.  Jetzt kann ich meine Leidenschaft für Kunst mit meinem Brotberuf verbinden.

  • Ihre Dissertation “Kunstraub in Krieg und Verfolgung” (Zürich 2004) wurde mehrfach prämiert.  Zu dieser Zeit war das Thema noch nicht so präsent wie heute.  Wie kam es dazu?

 Das stimmt. Die Washingtoner Erklärung wurde ja erst 1998 unterschrieben. Ich begann meine Dissertation im Jahr 2000. Da steckte das Thema noch in den Kinderschuhen.  Ich wollte nichts über internationales Steuerrecht oder Ähnliches schreiben. Die Wiedergutmachung ist mir persönlich ein Herzensanliegen. Zudem bin ich seit der Schule sehr historisch interessiert und diese Fragen weckten meine Neugierde. Prägende Einstiegsliteratur war unter anderem  das Buch von Jonathan Petropoulos  „The Faustian Bargain: The Art World in Nazi Germany”.  Ich war der Erste, der Beutekunst und Raubkunst systematisch gegenübergestellt und umfassend juristisch dargestellt hat.

  • Am Österreichischen Kunstrechtstag in Krems im Juni dieses Jahres sprachen Sie über den Fall von Cornelius Gurlitt, den Sie ja vertraten. Was hat Sie im öffentlichen Umgang mit dem Sammler und seiner Sammlung am meisten gestört?

Am meisten gestört hat mich seine Vorverurteilung.  Mein  Mandant wurde zum Gesicht der Raubkunst. Man hat die ganze Schuld auf einen Mann geladen und dabei völlig ausgeblendet, dass dies ein gesamtdeutsches Problem ist. Die Medien haben natürlich ihren Teil dazu beitragen. Zumal nur vier Bilder gefunden wurden, die restituiert werden mussten, hat mich das nur bestätigt.

  • Da uns diese Themen voraussichtlich noch einige Jahre beschäftigen werden, ist anzunehmen, dass dieser Fall nicht der Letzte sein wird. Aus Ihrer Sicht, wie sollte man diese handhaben?

Vor allem braucht man rechtliche Rahmenbedingungen, einen umfassenden Ansatz und  keine Stigmatisierung. Wir haben es mit der Generation der Erben zu tun, es gibt keine Täter mehr zu verfolgen. Schwarz – Weiss  Malerei ist nicht angebracht. Allerdings ist es auch  völlig inakzeptabel,  Klienten, die einen berechtigten Restitutionsanspruch bei Raubkunst haben, mit einer Verjährungseinrede zu kommen. Hier gibt es noch viel zu tun.

  • Eines Ihrer Schwerpunkte ist das Erbrecht. Eine gute und oft komplexe Nachlassregelung kann sich nicht in ein paar Zeilen erschöpfen. Hätten Sie dennoch  einen Tipp für die Leser,  für einen möglichst konfliktfreien und geordneten Umgang  mit dem eigenen Erbe?

Vor allem sollte man eine umfassende  Regelung  für die Nachfolgegeneration treffen. Eine Stiftung kann für die Erben steuerlich interessant sein. (Anm. Eine Stiftung macht ab 100 000 Euro Sinn). Eventuelle Konflikte kann man nur dann lösen, wenn man sich lange vor dem Erbfall miteinander an einen Tisch setzt. Ist das nicht möglich, gibt es immer noch die gesetzliche Regelung ohne Testament, die manchmal gar nicht so schlecht passt. Bei Kunstsammlungen ist es zudem möglich, eine möglich steuerneutrale Lösung zu gestalten, die sicherstellt, dass die Sammlung zusammenbleiben kann.

  • Abgesehen vom oben genannten „Fall aller Fälle“, gibt es einen Fall, der Sie besonders gefreut oder berührt hat und über den Sie sprechen können?

Mich berühren die persönlichen Schicksale in den Wiedergutmachungsfällen am Meisten.
Besonders freut es mich, dass ich gerade eben für einen jüdischen Mandanten einen prachtvollen Thoraaufsatz aus Nürnberg restituieren konnte. Es ist Raubkunst und war zuletzt sogar im jüdischen Besitz. Das zeigt  deutlich, wie komplex solche Fälle sind. Zudem vertrete ich derzeit Angehörige von Holocaustopfern in München, welche dort –wie in ganz Europa üblich- Stolpersteine verlegen wollen. Hoffentlich findet man auch in München bald eine faire Lösung im Sinne eines offenen und würdigen Gedenkens ohne Scheuklappen.

  • Neben Ihrer anwaltlichen Tätigkeit unterrichten Sie an der Fernuniversität Hagen und an der Karl-Franzens Universität in Graz, haben derzeit zwei Pro Bono Fälle auf dem Schreibtisch und können eine gut gefüllte Liste an Publikationen vorweisen.  Gibt es Zeiten der Entspannung?

Ja, natürlich. Musik ist für mich sehr wichtig. Ich habe eine klassische Gesangsausbildung und singe in verschiedenen Chören in München.  Ich versuche immer bei ein oder zwei Konzerten im Jahr mitzusingen. Und natürlich die Zeit mit meiner Familie daheim im Isartal südlich von München.

 

Herr Dr. Hartung, vielen Dank für das Gespräch.

www.themispartners.eu

 

 

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