Buchempfehlung: Die Malweiber, Unerschrockene Künstlerinnen um 1900.

51SPpYwC0aL._

„Malweiber“  oder noch abfälliger „Malweibchen“ wie  der Journalist Fritz von Ostini  sie nannte, waren die Frauen, die  „um das Jahr 1900 vor der Natur malten und dazu mit Staffelei, Pinsel und Palette ins Freie zogen“.  So richtig ernst genommen wurden sie jedoch nicht. Eine künstlerische Betätigung gehörte für Damen der Gesellschaft zum guten Ton. Aber als Beruf? Wohl eher nicht. Zu den Akademien wurden sie – noch – nicht zugelassen.  Diejenigen, die es sich leisten konnten, nahmen teuren Privatunterricht. Doch ab der Mitte des 19. Jahrhunderts konnte man sie nicht mehr ignorieren. Es waren zu viele. Die Firma Winsor & Newton brachte eigens ab 1849 Malutensilien für Damen, eine Staffelei mit integriertem Hocker, auf den Markt. 1) Malschulen, Akademien  und Vereine wurden für angehende Künstlerinnen gegen Ende des 19. Jahrhunderts in vielen Städten gegründet, wie die 1882 entstandene Malakademie für Frauen in Berlin.

Paris war sowohl für angehende Künstler als auch Künstlerinnen ein wichtiges Zentrum. Zahlreiche Anregungen und Impulse erhielten sie durch Atelierbesuche und Gespräche mit Kollegen. Die angehende Malerinnen konnten eine der privat geführten Akademien besuchen, wie Paula Modersohn-Becker, eine der wichtigsten Vertreterinnen der Nordeutschen Worpsweder Künstlerkolonie, die Académie Colarossi. Aber die wirklichen Revolutionen passierten ausserhalb dieser öffentlichen (staatlichen) und privat geführten Schulen. Bahnbrechend war die Schule von Barbizon mit Künstlern wie Camille Corot oder Gustave Courbet, die nicht mehr im Atelier sondern in der freien Natur malten, ein absolutes Novum in dieser Zeit. Und dann waren da natürlich noch die Impressionisten, die die Lehren der Akademien verschmähten und zu einem völlig neuen Stil fanden. Künstler und Künstlerinnen arbeiteten nebeneinander. Berthe Morisot und Mary Cassatt malten neben Eduart Manet, Claude Monet oder Edgar Degas.

Diese Schritte ebneten den Weg für kommenden Entwicklungen: Die Zeit um 1900 war allgemein eine Periode des Umbruches, die neue Chancen für Frauen bot, die eine künstlerische Karriere anstrebten. Und auch an anderen Orten passierte viel ausserhalb der Akademien. Den neu formierten Künstlerkolonien auf dem Land, wo Künstler und Künstlerinnen frei und gleichberechtigt, fern von jeder akademischen Regel, neue Wege beschreiten konnten, kam eine besondere Bedeutung zu.

Klingt ein wenig paradiesisch, das war es aber nur sehr selten. In den einzelnen Portraits erfährt man viel über die inneren oder äusseren Kämpfe der Künstlerinnen, ihren unbedingten Willen “es zu schaffen”, oft immun gegen viele Kritiker. Aber auch von ihren Erfolgen: Wie Käthe Kollwitz, die zu Lebzeiten bereits durch zahlreiche Ausstellungen geehrt wurde und 1917 eine Professur an der Preussischen Akademie der Künste bekam, damals keine Selbstverständlichkeit für eine Frau. Zitate, Dialoge, Originalfotos und Dokumente machen diese Biographien lebendig. Aber die Künstlerinnen stehen nicht nur für sich: Sie werden je nach Wirkungsort  in die einzelnen Kapitel nach den wichtigsten Kunstzentren und Künstlerkolonien im deutschsprachigen Raum eingeordnet. Mit den einleitenden Worten zu den jeweiligen Kapiteln bekommt man ein gutes Bild über das Umfeld und die Zeit der  Malerinnen. Dass das eine oder andere Portrait etwas kürzer ausgefallen ist, zeigt, dass noch viel Forschungsbedarf ist.

Schön fand ich, dass nicht nur die heute bekannten Künstlerinnen erwähnt wurden, wie Gabriele Münter, die zur Gruppe des Blauen Reiter um Wassily Kandinsky gehörte, oder die Schweizerin Sophie Taeuber-Arp, die zu Lebzeiten bereits erfolgreich war, und als Pionierin der modernen Kunst gilt. Man lernt auch viele Malerinnen kennen, die heute ein wenig in Vergessenheit geraten sind, wie Julie Wolfthorn, die 1898 Gründungsmitglied der Berliner Sezession und eine der bekanntesten Malerinnen Deutschlands war.

Wie würden die Werke dieser 48 Frauen aussehen, wenn sie eine staatliche Akademie besucht hätten? Vermutlich völlig anders. Diese Frauen, es sit erstaunlich wie viele es waren, haben den Weg zur modernen Kunst mitgestaltet. Ohne sie hätte wahrscheinlich so manche Strömung anderes ausgesehen. Das aufzuzeigen, ist der Verdienst dieses Buches.

Sollten Sie nach der Lektüre dieses Buches das eine oder andere Bild von einer der genannten Künstlerinnen im Rahmen einer Auktion, Ausstellung…etc.  wiederfinden und es gefällt Ihnen: Greifen Sie zu. Diese Bilder sind mit Sicherheit mindestens genauso gut wie die Werke der berühmteren Kollegen und sie haben vor allem noch eines: Für einen Sammler noch viel Potential.

 

Das Buch:

Katja Behling, Anke Manigold

Die Malweiber. Unerschrockene Künstlerinnen um 1900.

Elisabeth Sandmann Verlag, München 2009

Die Malweiber: Unerschrockene Künstlerinnen um 1900 (insel taschenbuch) (Eur 12,95.-)

Die Malweiber. Unerschrockene Künstlerinnen um 1900 (Gebundene Ausgabe Eur 24,80.-)

 

 

 

 

 

 

Share this post:
FacebooktwitterlinkedinFacebooktwitterlinkedin
Follow Notes about Art:
FacebooktwitterFacebooktwitter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert